Astrologie und (Natur-)Wissenschaft

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Astro29
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Astrologie und (Natur-)Wissenschaft

Beitrag von Astro29 » Mo 3. Jul 2017, 11:31

Liebe Forenmitglieder :)

Aufgrund eines aktuellen Diskurses, der im Thread "Die Neuordnung der Astrologie" entstanden ist, möchte ich meine grundsätzlichen Gedanken zum Phänomen "Astrologie" darlegen.

Zuerst ein paar Zitate aus dem betreffenden Thread:
GreenTara:
Diese Symmetrie (Anm.: Herrschersystem) ist in der Tat perfekt. Weshalb also wegen deiner Annahme, die Perihele würden die Domizile bestimmen, diese Symmetrie verwerfen?

Marc Bonus:

Weil es nicht darauf ankommt was uns symmetrisch erscheint, sondern was wahr ist.
Oder:

Pan:

„Der göttliche, weise und alte Mann (Petosiris) erschuf das Geburtshoroskop des Universums, auf dass es den Astrologen als Beispiel diene, dem sie bei den Horoskopen der Menschen folgen können“ (Firmicus Maternus, liber III, Kapitel 1).
Seschat hat es mit einem Satz jedoch sehr schön auf den Punkt gebracht:
Astrologie ließ / lässt sich nie naturwissenschaftlich erklären, sie gehört, wie vieles im Leben, in das Reich der Metapher oder Symbolik.
Und hier möchte ich auch ansetzen.

Marc möchte die Domizile der Planeten mithilfe des Perihels eines jeden Planetens definieren und wo dieser im Tierkreis (aktuell) steht. Das Argument ist ein "naturwissenschaftliches" - die Astrologie soll auf naturwissenschaftliche Grundlagen gestellt werden, damit sie korrekterweise von den empirischen Phänomenen ausgeht, aus denen sie entstanden ist bzw. entstanden zu sein scheint.

Dazu würde ich jedoch anmerken, dass das Heranziehen eines naturwissenschaftlichen oder empirischen Phänomens als Grundlage für astrologische Deutungen diese nicht in ihrer Aussagekraft aufbessert bzw. "wahrer" macht. Die Annahme, die hier implizit zu Grunde gelegt werden würde, wäre, dass die Aussagen der Astrologie tatsächlich auf empirische Sachverhalte beruht. Und dies möchte ich jedoch sehr bezweifeln.

Wäre die Astrologie eine empirische Wissenschaft, so bräuchte es auch empirische Messinstrumente, um ihre Aussagen überprüfen zu können. Ohne an diesem Punkt überhaupt das Phänomen der Kausalität miteinzubeziehen, kann hier bereits festgehalten werden, dass dies nicht möglich ist. Warum? Ein praktisches Beispiel.

Der Tierkreis wurde zuerst siderisch gedacht, wie aus verschiedenen Quellen hervorgeht. Bekannt ist auch, dass jene Teile des Sternenhimmels, an denen nur Seefahrt stattfand und keine kulturellen Einrichtungen vorhanden waren, weit weniger komplexe Sternbilder "gefunden" wurden. Somit ist es eindeutig, dass die Sternbilder eine Konstruktion des menschlichen Geistes darstellen, die jedoch a priori im menschlichen Bewusstsein existieren müssen. C.G. Jung hat es mit den Archetypen des kollektiv Unbewussten sehr schön auf den Punkt gebracht. Sie stellen Muster dar, die sich in ihrer dichtesten Form in Märchen, Mythen und auch im Tarot wiederfinden. Von Willkür kann hier also keine Rede sein.

Nun entstand des Problem des sich bewegenden Frühlingspunktes. Aristarch entdeckte, dass sich das Himmelsgewölbe ca. alle 72 Jahre um 1° verschiebt. Die Messung der (unendlichen) Zeit erfordert jedoch ein festes Maß, ein Maß, dass immer wiederkehrt und den Beginn bzw. das Ende von Prozessen eindeutig definiert. Dies ist ein Problem, dass sich in bezug auf die Entstehung unseres Kalenders bis in das 21. Jahrhundert fortsetzt (Stichwort: Schaltjahre). Wie Traumprinz schon richtig festgestellt hat, muss in einem Kreis Anfang und Ende irgendwie definiert werden, um zu einem Anfang bzw. einem Ende zu kommen. Bereits Aristoteles hat bei seiner Suche nach dem unbewegten Beweger erkannt, dass die kreisförmige Bewegung der Planeten die Unendlichkeit darstellen.

Daher wurde der Frühlingspunkt als Anfangspunkt gewählt, da hier die Sonne den Äquator nach Norden hin überquert, die Tage wieder länger werden und somit eine Analogie zur Geburt besteht. Natürlich könnte man auch einen der anderen drei Sonnwendpunkte als Anfangspunkt definieren. Vor allem die Wintersonnenwende bietet sich hier an, da hier ebenfalls die Tage länger werden (wenngleich sie immer noch kürzer als die Nacht bleiben). Auch Ptolemäus hat auf dieses anschauliche Problem in seiner Tetrabiblos hingewiesen, wenn es um die Frage geht, welches Horoskop als Mundanhoroskop für ein Jahr verwendet werden sollte (Stichwort: 0° Widder-Horoskop bzw. Quartalshoroskope).

0° Widder hat sich jedoch als Anfangspunkt im kollektiven Bewusstsein durchgesetzt. Streng wissenschaftlich betrachtet ist dies nicht korrekt, da der Entdeckungszusammenhang (hier: kollektive / kulturelle Übereinkunft) mit dem Begründungszusammenhang nicht übereinstimmen darf. D.h., um 0° Widder als Anfangspunkt zu legitimieren, bräuchte es einen empirischen Sachverhalt, der dies notwendig erscheinen lässt.

Diesen empirischen Sachverhalt gibt es jedoch nicht. Wesenskern (zu diesem Begriff später mehr) des 0° Widder-Punktes ist es, dass die Tage länger werden bzw. dass die Sonnenbahn den Äquator schneidet. Hier muss definiert werden, was das Wesen der Sonnenbahn ist und was des Äquators - eine Frage, die aus (natur-)wissenschaftlicher Sicht Nonsens ist.

Der Äquator stellt die irdische Ebene dar. Er ist der Mittelpunkt der Erdachse, um die sich die Erde selbst dreht. Er kann somit als Bezugsgröße der irdischen Dinge gesehen werden (wie übrigens auch der Horizont!). Die Bahn der Sonne kann als "Bewusstseinsband" definiert werden. Licht und Bewusstsein werden ja bekanntlich als analog betrachtet bzw. das Licht als Metapher des Geistes (Bewusstsein). Dort, wo die Sonnenbahn den Äquator schneidet, füllt sich quasi Materie mit Geist / Bewusstsein. Etwas wird aus der Idee, aus dem metaphysichen (Fische/12. Haus) in die Realität geboren (Widder / 1. Haus). Der Aszendent ist Analog das Gleiche, da er den Schnittpunkt zwischen dem Horizont (Materie) und der Ekliptik (Bewusstsein) darstellt.

Würde mann nun streng empirisch vorgehen, so müsste auf der Südhalbkugel der Erde 0° Widder am 21. September starten - das ist astronomisch ein Faktum. Es ist empirisch nicht nachvollziehbar, dass 0° Widder, sofern er mit der Zunahme des Tageslichtes in Verbindung gebracht werden soll, auf der Südhalbkugel nicht am 21. September beginnen soll. Hier werden nördliche Anschauungen übertragen.

Die Übertragung von nördlichen Anschauungen auf die südliche Hemisphäre findet sich jedoch auch in bezug auf den Kalender. Eigentlich müsste die südliche Hemisphäre eine eigenen Kalender benutzen, damit er gemäß unserer Anschauung funktioniert - dadurch käme es jedoch auf dem Äquator zu erheblichen Problemen ;)

Da die Erde aber eine Kugel ist und es im Kosmos nunmal kein "oben" und "unten" gibt, ist die Konzeption des Kalenders bzw. des Tierkreises empirisch gesehen inkonsequent. Doch aus der Anschauung heraus gibt es durchaus ein "oben" und "unten", ein "Norden" und ein "Süden". Und Aristoteles selbst hat in seiner Metaphysik treffend geschrieben, dass ein konkretes Ding niemals zwei gegensätzliche Ausprägungen zugleich in sich vereinen kann - entweder es ist das Eine, oder es ist das Andere, aber nicht beides zugleich. Daher kann es nicht zwei Tierkreise zugleich geben (bzgl. des tropischen Tierkreises und seins Anfanges; nicht bzgl. der Diskussion tropisch oder siderisch, das ist etwas anderes), da es immer nur eine Ausrichtung zur gleichen Zeit geben kann. Und auch hier es Sache des kollektiven Bewusstseins, hier auch nur einen Tierkreis zu setzen.

Was möchte ich nun mit alldem sagen?

Die Astrologie erfüllt nicht die Kriterien einer empirischen Wissenschaft. Die Astrologie fußt zwar auf naturwissenschaftliche Phänomene, diese haben aber an sich nichts mit den Aussagen zu tun, die von ihnen astrologisch abgeleitet werden. Den naturwissenschaftlichen Phänomenen ist es egal, wo sich ihr Perihel in dem von den Menschen konstruierten Tierkreis befindet. Auch die Deutung des Perihels als Anzeiger für das Domizi eines Planeten ist eine Allegorie oder Metapher, deren Wahrheitswert sich jedoch nicht empirisch beweisen lässt. Naturwissenschaftliche Tatsachen haben mit astrologischen Deutungen nichts gemeinsam.

Konstituierend für eine astrologische Deutung ist der Moment des Sinns. Sinn ist jedoch keine empirische Größe, sondern etwas, das nur im Geiste erkannt werden kann. Dieser greift, phänomenologisch betrachtet, auf die Methode des Wensenschau zurück, um im kokreten Sein das dahinter liegende Wesen (die Idee) zu erkennen. Astrologie ist auch keine willkürliche Erfindung des Geistes bzw. nichts, dass durch die Denkleistung eines Individuums vollbracht werden kann.

LG Astro25

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Beitrag von Pan » Di 4. Jul 2017, 00:55

Der naturwissenschaftliche (astronomische) Aspekt der Astrologie ist zum grössten Teil aufgearbeitet. Himmelsmechanik und Planetenbahnen inzwischen mit grosser Genauigkeit bestimmt. Die drei astrologischen Koordinatensysteme lassen sich klar definieren.

Nicht aufgearbeitet ist der geisteswissenschaftliche (astrologische) Aspekt der Astrologie. Hier herrscht das absolute Chaos. Wie sind die vorgegebenen astronomischen Grundlagen astrologisch zu interpretieren? Was bedeutet was? Dagibt es keinen Konsens. Jeder wurschtelt etwas vor sich hin. Man verzettelt sich im Beliebigen.

Meiner Ansicht nach ist das Trauma, in dem sich die Astrologie schon seit langem befindet, erst lösbar, wenn sich die Astrologen den einfachsten Grundlagen der Astrologie zuwenden. Ohne tiefgreifendes Verständnis für die fundamentalsten Gesetzmässigkeiten, bauen wir auf Sand.

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