Lesenswert: Agenda der Enteignung

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GreenTara
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Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von GreenTara » Fr 10. Jun 2016, 15:37

Hallo zusammen :)

eine gut lesbare Zusammenfassung dessen, was uns Rot-Grün und nachfolgend Schwarz-Gelb und Große Koalitionen bescheren:

Agenda der Enteignung von Susan Bonath

Aus dem Text:
Verteilungskämpfe gefährden sozialen Frieden

Die Agenda 2010 ist vor allem eine Agenda der Enteignung aller Lohnabhängigen – zugunsten der Großkonzerne. Hartz IV hat Millionen Menschen prekarisiert. Selbst Absolventen von Universitäten und Hochschulen hangeln sich oftmals von Praktikum zu Praktikum. Der Wirtschaftsaufschwung, den Hartz IV bewirkte, geschah auf Kosten eines wachsenden Heeres von billigen Arbeitskräften. Der ausufernde Niedriglohnsektor wird permanent von Jobcentern gefüttert. Bekannt ist, dass Hartz-IV-Behörden gezielt mit Leiharbeitsfirmen zusammenarbeiten. Hartz IV hat einen Minijob-Boom bewirkt. Die 7,2 Millionen Minijobber sind vor allem weiblich. Das macht Betroffene nicht nur arm, sondern auch abhängig von ihren Partnern. Denn unter Hartz IV gibt es keine eigenständigen Menschen, nur Bedarfsgemeinschaften.
Passend dazu Jobangebote eines Jobcenters: Branchen mit Chancen. Paketdienste, Callcenter, Altenpflegeumschulung in jedem Alter, LKW-Fahrer, "Fachkraft" in der Zeitarbeit usw. Man kann gar nicht so viel fressen, wie man ko**** möchte, wirklich wahr. :headbang:

Schöne Grüße
Rita
»Ist es nicht zynisch, wenn sich führende Politiker ›Sorgen machen‹ wegen der ›steigenden Zahlen‹? Wie wäre es, wenn sie sich zur Abwechslung mal um Menschen sorgen würden?«

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frajoscha
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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von frajoscha » Fr 17. Jun 2016, 09:57

Ja, die unwissenden und inkompetenten Politiker proben, üben und experimentieren mit der Gesellschaft.
Was sie nicht wissen, ist, dass das Unheil das sie anrichten sie selbst treffen wird. Weil sie selbst Teil der
Gesellschaft sind. Da gilt ein chinesisches Sprichtwort: "Leid ist das schnellste Pferd auf dem Weg zur Erkenntnis."
Learning by doing!
LG frajoscha

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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von Chanda » Fr 17. Jun 2016, 10:31

frajoscha hat geschrieben:Ja, die unwissenden und inkompetenten Politiker proben, üben und experimentieren mit der Gesellschaft.
Was sie nicht wissen, ist, dass das Unheil das sie anrichten sie selbst treffen wird. Weil sie selbst Teil der
Gesellschaft sind. Da gilt ein chinesisches Sprichtwort: "Leid ist das schnellste Pferd auf dem Weg zur Erkenntnis."
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LG frajoscha
Wie WAHR!

Herzlich Willkommen hier, Frajoscha! :)

Viele Grüße von Chanda
Alles Gute von Chanda

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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von GreenTara » Fr 17. Jun 2016, 21:40

Hallo frajoscha :)

herzlich willkommen im Forum.
frajoscha hat geschrieben:Ja, die unwissenden und inkompetenten Politiker proben, üben und experimentieren mit der Gesellschaft.
Ob sie wirklich so unwissend sind? Zumindest wissen sie schon in etwa, was sie anrichten, und sie nehmen das in Kauf, denn es geht um Interessen. Die Frage ist, um wessen Interessen. Die des Normalbürgers jedenfalls nicht. Wenn man sieht, was in den letzten Jahrzehnten an politischer Macht an Interessengruppen abgegeben wurde, wird einem ganz anders. Warum schränken Menschen ihrem Spielraum ein? Wenn sie es freiwillig tun, dann, weil sie etwas davon haben oder zu haben meinen. Wenn sie es nicht freiwillig tun, wer ist in der Lage, sie derart unter Druck zu setzen? Es ist schon sehr aufschlussreich, sich die Propaganda gegen Russland und insbesondere Putin anzusehen und hier vor allem die Sanktionen der EU gegen Russland. Die EU hat davon nur Nachteile. Warum also tut sie trotzdem so etwas Hirnrissiges? Oder TTIP und ähnliche Verträge? Wieso liefern sich Staaten Konzernen aus?

Manchmal hat man/frau lustige Ideen. Ich habe ernstlich überlegt, wohin ich auswandern könnte. Russland scheint mir derzeit nicht die schlechteste Wahl. Früher wollten (angeblich) alle in den Westen. Wie wäre es denn mal mit der umgekehrten Richtung? :D

Schönes Wochenende
Rita
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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von GreenTara » Mi 22. Jun 2016, 19:53

Hallo zusammen :)

erneut macht Susan Bonath auf das Menschenbild hinter Hartz IV aufmerksam. Sie titelt
Gehorchen oder hungern

Jugendschutz? Nicht unter Hartz IV: Jobcenter kürzen Tausenden Minderjährigen die Existenzsicherung, weil sie Auflagen nicht erfüllen. Betroffen sind schon 15jährige.

Im Internet schwadroniert das Bundesfamilienministerium über das Jugendschutzgesetz. Das einzuhalten, sei für die Bundesregierung unabdingbar. Das Gesetz soll Minderjährige vor allerlei Gefahren schützen: Zu viel Alkohol, Nikotin, vor wilden Partys oder falschen Medien zum Beispiel. Die pure Existenzsicherung ist der Bundesregierung hingegen nicht so wichtig – zumindest, wenn es um Kinder aus Familien im Hartz-IV-Bezug geht.

Alleine 2015 bestraften deutsche Jobcenter mehr als 16.100 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren mit dem teilweisen oder kompletten Entzug ihrer Existenzsicherung, weil sie Termine versäumt, Stellenangebote ausgeschlagen oder zu wenige Bewerbungen geschrieben hatten. Im Januar und Februar 2016 waren 2.666 Minderjährige dieses Alters betroffen. Das teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf Anfrage der Tageszeitung »junge Welt« mit. Die Statistik liegt KenFM vor.

Unter den sanktionierten Minderjährigen waren im vergangenen Jahr 1.783 gerade 15 Jahre alt. Betroffen waren zudem 4.851 Jugendliche im Alter von 16 und 9.475 im Alter von 17 Jahren. Auch bei 18- bis 19jährigen Hartz-IV-Beziehenden griffen Jobcenter hart durch. 53.126 junge Erwachsene dieser Altersgruppe mussten 2015 eine Kürzung oder komplette Streichung ihrer Mindestsicherung in der Regel für drei Monate hinnehmen. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres traf es 8.138 gerade volljährig Gewordene unter 20 Jahren.
Es ist wirklich unfassbar. :( Und nichts geschieht, wenn der Art. 1 des GG dauernd verletzt bzw. irgnoriert wird. Die Dame beginnt, mich durch ihre sorgfältig geschriebenen Artikel zu interessieren. Leider habe ich nicht einmal einen Geburtstag gefunden, nur eine Jahresangabe sowie den Geburtsort.

Viele Grüße
Rita
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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von micha » Mi 22. Jun 2016, 21:16

Hallo Rita,

auf die Gefahr hin, nicht politisch korrekt zu sein: das gilt nur für Autochtone, nicht für solche mit "Mihigru." Bei der zweiten Gruppe trauen sich die Behörden meiner beruflichen Erfahrung nach nicht durchzugreifen. Das führt bei ersteren zu zunehmendem Frust. Möglicherweise bricht irgendwann dann der Furor teutonicus seine Bahn.

Viele Grüße
Micha

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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von Traumprinz » Mi 22. Jun 2016, 21:24

Hallo Micha :)

Das kann ich so nicht bestätigen. Auch wenn es immer wieder die Geschichten gibt, dass die im ganzen Clan und mit Anwalt anrücken (eigentlich machen die das genau richtig, das ist das einzige, was gegen diese Mischpoke hilft): Wir hatten eine Türkin im Bekanntenkreis, die trotz Teilzeitstelle auf das Jobcenter angewiesen war, als alleinerziehende Mutter. Was die an Schikanen mitgemacht hat, das geht auf keine Kuhhaut.

Liebe Grüße,
Björn
„Oft fällt das Denken schwer, indes
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Re: Lesenswert: Arschkarten für die Mehrheit

Beitrag von GreenTara » Di 28. Jun 2016, 12:42

Hallo zusammen :)

während alles mit Fußball-EM und dem Brexit beschäftigt wird, hat die Regierung flott gearbeitet. Susan Bonath hat die Tätigkeit der Regierung zusammengefasst und kommentiert:
Arschkarten für die Mehrheit

Aufmucken verboten

Damit die lohnabhängige Bevölkerung nicht zu sehr aufmuckt und sich alles gefallen lässt, um nur ja nicht aus dem »heiligen Arbeitsmarkt« entlassen zu werden, gibt es obendrauf rigide Verschärfungen für jene, die sich nicht mehr alleine durch Erwerbsarbeit über Wasser halten können. Nach jahrelange Tauziehen manövrierte die Große Koalition die neunte umfassende Hartz-IV-Reform (binnen elfeinhalb Jahren) gegen die Stimmen der Opposition (Linke und Grüne) durch den Bundestag.

Die meisten Medien berichteten hernach fast ausschließlich von guten Taten: Union und SPD seien in letzter Minute von geplanten finanziellen Einschnitten bei Alleinerziehenden und drakonischen Sanktionsstrafen gegen Ältere, die nicht freiwillig mit lebenslangen Abschlägen mit 63 vorzeitig in Rente gehen, abgewichen. Das stimmt zwar, ist aber nur ein klitzekleiner Teil der Wahrheit. Die andere Seite ist: Erwerbslose und Aufstocker werden künftig noch strenger überwacht, stärker ans Gängelband genommen und härter bestraft.

Zwangsarbeit

Erstens ändert die Hartz-IV-Novelle rein gar nichts an der Sanktionspraxis, obwohl alle Sozialverbände und Sachverständigen vor allem die extremen Strafen gegen Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren angeprangert hatten. Denn weisen diese zu wenige Bewerbungen nach, lehnen eine Maßnahme, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle oder einen Ein-Euro-Job ab, weigern sich auch nur, an einer »Informationsveranstaltung« der Bundeswehr teilzunehmen, wird ihnen für drei Monate der komplette Regelsatz gestrichen. Bei einem zweiten »Pflichtverstoß« innerhalb eines Jahres wird ihnen auch keine Miete mehr bezahlt. Ältere Betroffene erhalten beim ersten »Vergehen« eine Kürzung um 30, danach um 60 und schließlich um 100 Prozent. Dies führe naturgemäß zu Obdachlosigkeit, Mangelernährung und Kriminalität, hatte die Linke am Donnerstag erneut gemahnt.
Es ist zum Heulen. Kein Wunder, dass die Briten die Nase voll haben, in Frankreich protestiert wird, in Spanien wieder keine regierungsfähige Mehrheit gewählt wurde etc.

Schöne Grüße
Rita
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Re: Lesenswert: Zwangsarbeitsmaschine

Beitrag von GreenTara » Di 12. Jul 2016, 12:01

Hallo zusammen :)

Bundestag und Bundesrat haben ganze Arbeit geleistet. Susan Bonath fasst zusammen:
Bundestag und Bundesrat bringen Hartz-IV-Verschärfungen und »Integrationsgesetz« auf den Weg. Der Druck auf Lohnabhängige wächst

Wie prügelt man in einer automatisierten Industriegesellschaft Menschen in Jobs, die niemand (mehr) bezahlen will? Ganz einfach: Man nimmt ihnen das Existenzminimum weg, wenn sie sich weigern, für wenig oder keinen Lohn zu schuften. Man bezeichnet dies als »Pflichtverletzung« und sanktioniert sie. Die Bundesregierung nennt das »Fordern und Fördern«.

So funktioniert Hartz IV seit fast zwölf Jahren. Jetzt wurde das Gesetz zum neunten mal »reformiert«. Am Freitag drückte der Bundesrat die Novelle durch. Ab August werden Betroffene damit nicht nur noch intensiver rundum überwacht und haben weniger Rechte, sich mit Widersprüchen und Klagen zu wehren. Ihnen drohen auch härtere Sanktionen. Die Bundesregierung führte mit der Novelle ein zweites Strafregime ein.
Da kann man nur hoffen, dass auch deutsche Bürger bald so richtig die Nase voll haben.
micha hat geschrieben:Möglicherweise bricht irgendwann dann der Furor teutonicus seine Bahn.
Das Volk wird im Horoskop des Grundgesetzes durch einen Widdermond dargestellt. Ob der irgendwann mal in die Pötte kommt?

Schöne Grüße
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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von Traumprinz » Di 12. Jul 2016, 12:28

Huhu Rita :)

Sehr interessant finde ich in dem Zusammenhang auch, dass gerade die Meldungen durchkamen: immer weniger Leute beziehen länger als vier Jahre Hartz IV. Gleichzeitig ist aber auch bekannt, dass gerade Langzeitarbeitslose praktisch keine Chancen haben, irgendwo unterzukommen. Heißt für mich übersetzt: Die Maschinerie hat gewirkt, sodass immer mehr auf das verzichten, worauf sie einen Rechtsanspruch haben, nämlich die nackte Existenzsicherung... Herzlichen Glückwunsch! :cool:

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Re: Lesenswert: Agenda der Enteignung

Beitrag von GreenTara » Di 12. Jul 2016, 12:38

Huhu Björn :)
Sehr interessant finde ich in dem Zusammenhang auch, dass gerade die Meldungen durchkamen: immer weniger Leute beziehen länger als vier Jahre Hartz IV.
Tja, das hat zuerst BLÖD gemeldet und alle anderen haben abgeschrieben. Man hat die statistische Erfassung umgestellt und daher sieht es jetzt so aus als ob: Dauer-Hartz-IV-Bezieher: Falschmeldung der BILD-Zeitung.
Die Maschinerie hat gewirkt, sodass immer mehr auf das verzichten, worauf sie einen Rechtsanspruch haben, nämlich die nackte Existenzsicherung... Herzlichen Glückwunsch! :cool:
Und was hat Zeit online eben verkündet? Deutsche machen 1.813.000.000 Überstunden
Mehr Stress, mehr Arbeitsverdichtung: In Deutschland werden immer mehr Überstunden geleistet. Mehr als die Hälfte der 1,8 Milliarden Stunden Mehrarbeit sind unbezahlt.
Heißt: Diejenigen, die noch Arbeit haben, machen unbezahlte Überstunden aus Angst und weil es so in nicht wenigen Arbeitsverträgen steht, die man unterschreibt, weil man meist keine andere Wahl hat. Armes Deutschland.

Schöne Grüße
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Lesenswert: Neoliberalismus ist heilbar

Beitrag von GreenTara » Fr 19. Aug 2016, 19:07

Nicht die Unzufriedenen leiden an Bewusstseinsstörungen...

Wie kann etwas [die Globalisiserung] so verhasst sein, das laut unseren führenden Politikern – und vielen Ökonomen – dazu führen würde, dass es allen besser geht?

Eine manchmal von neoliberalen Ökonomen, die diese Politik befürworten, zu hörende Antwort ist, dass es den Menschen tatsächlich besser ginge; es sei ihnen nur nicht bewusst. Ihre Unzufriedenheit sei eine Sache für Psychiater, nicht Ökonomen.

Doch Einkommensdaten legen nahe, dass es die Neoliberalen sind, die von einer Therapie profitieren dürften. Großen Bevölkerungssegmenten in den hochentwickelten Ländern geht es nicht gut:

Quelle und weiter: Neoliberalismus ist heilbar
Joseph E. Stiglitz ist Nobelpreisträger (Wirtschaftswissenschaften).
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Lesenswert: Die Wohlfühl-Lüge

Beitrag von GreenTara » So 11. Sep 2016, 22:51

Einige Monate, nachdem er zum Führer der bis dato rechtesten Regierung der jüngeren britischen Geschichte gewählt wurde, begann David Cameron, Joghurt-Werbegesicht und einstiger PR-Mann, die unglückselige "Glücksagenda".

Sie wäre vielleicht besser angekommen, wenn der damalige Premier sich nicht gleichzeitig für einen radikalen Abbau von medizinischer Versorgung, Sozialhilfen und höherer Bildung eingesetzt hätte – also genau jenen Strukturen, die einfache Briten brauchen, um ihr Leben zu bewältigen. Dank Camerons Änderungen im Sozialhilfesystem wurde Arbeitslosigkeit zur psychischen Krankheit. Wir befinden uns in der längsten und schlimmsten Rezession der Geschichte – dennoch sollten laut einer Studie in der Zeitschrift Medical Humanities Arbeitslose ihren "psychischen Widerstand" behandeln, indem sie Kurse besuchen, die ihnen helfen, ihrer Verelendung positiver gegenüber zu stehen. Sie bekommen eine SMS nach der anderen, die sie darin belehrt, "dem Leben mit einem Lächeln zu begegnen". Erfolg sei "die einzige Option".

Quelle und weiter: Laurie Penny: Die Wohlfühl-Lüge
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Lesenswert: Das Milgram-Experiment der Wirtschaftsweisen

Beitrag von GreenTara » Di 15. Nov 2016, 12:23

Hallo zusammen :)

ein ausgezeichneter und frei zugänglicher Artikel auf http://www.makroskop.eu

Das Milgram-Experiment der Wirtschaftsweisen
Viel wichtiger, als Leute aus dem Niedriglohnsektor herauszubringen, sei es, diesen für die wenig qualifizierten Langzeitarbeitslosen zu öffnen, beispielsweise indem man diesen Leuten erst nach 12 Monaten den Mindestlohn bezahlt. Also noch mehr Niedriglohn. Stromstärke rauf. „Sie haben keine Wahl, sie müssen weiter machen“. Mit diesem Satz wurde im Milgram-Experiment die Stufe 4 eingeleitet.

Allerdings muss man den Sachverständigen zugutehalten, dass sie unter sehr viel schwierigeren Umständen zum Experiment antreten mussten: Sie hören kein Grunzen, keine Schmerzensschreie, es fleht sie auch niemand an, mit dem Experiment aufzuhören. Vermutlich kennen sie auch keine Langzeitarbeitslosen persönlich. Anders als die „Lehrer“ im Milgram-Experiment, sind sie oft ein akademisches Leben lang darauf konditioniert worden, „wissenschaftliche“ Autoritäten zu respektieren. Über ihrem gesunden Menschenverstand liegt längst eine dicke Firnis Expertendumm
Das letzte Wort ist wohl auf nordhessisch geschrieben. Teilweise zumindest. :yellowgrin: :lol:

Schöne Grüße
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Lesenswert: Kommerzialisierung der Freundlichkeit

Beitrag von GreenTara » Mo 28. Aug 2017, 08:55

Guten Morgen allerseits :)

manchmal lese ich einen der ansonsten von mir verschmähten Philosophen. Meist ist das der Koreaner Byung-Chul Han, der Kluges zu unserer Art zu leben und zu wirtschaften zu schreiben weiß. In einem seiner Artikel geht es um die Ausschaltung von Widerstand sowie die Folgen der Kommerzialisierung von jedem Lebensbereich:

Zweckfreie Freundlichkeit unmöglich

Der von Jeremy Rifkin gefeierte Wechsel vom Besitz zum „Zugang“ befreit uns nicht vom Kapitalismus. Wer kein Geld besitzt, hat eben auch keinen Zugang zum Sharing. Auch im Zeitalter des Zugangs leben wir weiterhin im „Bannoptikum“, in dem diejenigen, die kein Geld haben, ausgeschlossen bleiben. „Airbnb“, der Community Marktplatz, der jedes Zuhause in ein Hotel verwandelt, ökonomisiert sogar die Gastfreundschaft. Die Ideologie der Community oder der kollaborativen Commons führt zur Totalkapitalisierung der Gemeinschaft. Es ist keine zweckfreie Freundlichkeit mehr möglich.

"Man wird freundlich, um bessere Bewertungen zu erhalten."

Auch mitten in der kollaborativen Ökonomie herrscht die harte Logik des Kapitalismus. Bei diesem schönen „Teilen“ gibt paradoxerweise niemand etwas freiwillig ab. Der Kapitalismus vollendet sich in dem Moment, in dem er den Kommunismus als Ware verkauft.

Quelle: Byung-Chul Han erklärt, warum heute keine Revolution mehr möglich ist.
Byung-Chul Han schreibt über die Zustände in Korea, nachdem der IWF dort "helfend" eingegriffen hat. Sein Heimatland hat die höchste Selbstmordrate weltweit aufzuweisen, An Südkorea können wir sehen (auch an Chile und Griechenland), was auf uns zukommt. Gruselig. Manchmal bin ich froh, dass ich nicht mehr gar so jung bin.

Schöne Grüße
Rita

PS. Beruhigend, dass nicht nur ich dem "Gefällt mir" und dem allgegenwärtigen "Teilen" auf Websites so skeptisch gegenüber stehe. :yes:
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