Hallo vergnügt
danke für deinen Beitrag. Ich gestehe, ich habe auf eine Antwort wie die deine gewartet. Nicht, weil ich sie nicht weitestgehend teile, sondern weil es ja ausdrücklich um subjektive Wahrnehmungen ging, als Jens Berger seinen Aufruf startete. Als Ökonom weiß er genau, dass Statistiken eben nicht alles sagen und es ging ihm ausdrücklich um die Differenz zwischen scheinbar objektiven Werten und der persönlichen Wahrnehmung in der Leserschaft.
Ich habe immer von wenig Geld gelebt, auch von Hartz IV, aber für mich war immer meine subjektive Zufriedenheit und nicht das, was andere hatten, ausschlaggebend. Nur ich selbst kann dafür sorgen, dass es mir gutgeht - und das finde ich nur in mir. Je mehr ich mich nach außen begebe, je mehr ich mich damit identifiziere, vor allem vergleiche, desto unzufriedener muß ich werden.
Das stimmt, dennoch weiß ich von mir selbst, dass ich mich in jeder Lebenslage einrichten kann. Um es überspitzt zu formulieren: ich war in der Lage, mir Hartz IV schön zu reden und ich war in der Lage, einen relativ guten Verdienst zu "genießen". Welchen Preis ich für beides zahlte, wurde mir erst richtig deutlich, als ich aus all diesen Hamsterrädern aussteigen konnte. Sowohl Hartz IV mit seinen Repressionen als auch das Arbeitsleben mit seiner steigenden Arbeitsverdichtung "macht" etwas mit einem. Und die Floskel "es geht mir / uns gut" dient vor allem dazu, an der Oberfläche des Befindens zu bleiben. Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht und ich eine ernsthafte Antwort formuliere, dann wird das spürbar: Es wird gar keine ernsthafte Antwort erwartet, sondern ein "es geht mir (ganz) gut" und um Himmels Willen nichts Störendes, auf das man reagieren müsste, und ich spüre selbst, dass es gar nicht so einfach ist, eine Auskunft über mein Befinden zu geben, weil ich dem ja erst einmal innerlich "nachgehen" muss, wenn ich nicht mit einer Floskel antworten will.
Daher ist das Merkel-Mantra "Deutschland geht es gut" oder "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" nichts weiter als eines der Merkelschen Narkotika. Denn wenn man dagegen hält oder halten will, ohne Sprechblasen abzusondern, muss man ganz schön ausholen, um diese Behauptung abzuschwächen oder zu widerlegen oder aber auch, um sie zu belegen.
Meine Kritik setzt schon bei "Deutschland" an: Wer oder was ist "Deutschland"? Hat dich oder mich jemand gefragt, ob du oder ich Deutsche sein wollen? Nee, wir sind es von Geburt an, ohne eine Wahl zu haben. Wer ist gemeint, wenn Merkel "wir" sagt? Ich habe es noch nicht herausgefunden. Nicht, dass völlig unzufrieden oder vergnatzt bin, ich bin auch keine schlecht gelaunte Alte, die meint, dass früher eh alles besser war. Dennoch fühle ich mich nicht angesprochen von dem vereinnahmenden "Wir". Mir gefällt es kein bisschen, dass mein sehr gut ausgebildeter Freund keinen angemessenen Job findet, sondern sich mit zwei Arbeitsverträgen durch die Gegend hangelt. Es gefällt mir nicht, dass mein Sohn keine Chance mehr sieht, eine Familie zu gründen wegen der ständigen mit befristeten Arbeitsverträgen "verzierten" Arbeitslosigkeit und der damit einhergehenden existentiellen Unsicherheit. Es gefällt mir nicht, dass ich nach einem langen Berufsleben mit einer Rente abgespeist werde, die eine Unverschämtheit ist. Und - die nebenher bemerkt - für diese Rentenart und speziell für eine Frau - noch halbwegs ordentlich ist im Vergleich zum Durchschnittsbetrag bei EM-Renten. Für diese Brosamen habe ich fast 40 Jahre hart Vollzeit gearbeitet, mit Zusatzqualifikationen, Schichtdienst und Ähnlichem mehr neben Kindern, Ehemann, Haus. Nee, das ist ganz und gar nicht in Ordnung, wenn gleichzeitig Konzerne immer höhere Gewinne einfahren und immer höhere Dividenden ausschütten, was sienur deshalb können, weil die die meisten Mitarbeiter wie Zitronen auspressen - physisch und psychisch.
Diesen Blick auf die Situation will ich mir erlauben und ich tue es auch, ohne darüber in Verzweiflung zu geraten. Denn ich finde nichts dabei, wenn ich mir wünsche, dass Menschen die Früchte ihrer Arbeit ernten sollen, ohne dass andere sie über die Maßen auspressen, drangsalieren, in existentieller Angst halten und ich erlaube mir, verärgert darüber zu sein, wenn dann ständig davon geschwätzt wird, dass "die Menschen" ja dies und jenes wollten und erwarten würden und man von politischer Seite her dafür sorgen wolle.
Natürlich ist auch dieses Gesabbel ein alter Hut und eine bewährte Taktik der Eliten. Was aber nicht dagegen spricht, Gesabbel als das zu bezeichnen, was es ist und bei passender und unpassender Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass man diese Sabbelei nicht ernst nehmen sollte, denn bekanntlich höhlt steter Tropfen den Stein respektive die Denkmuster. Da muss man/frau schon halbwegs beisammen sein, um diese nicht in größerer Menge unhinterfragt zu übernehmen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Ab und an
will ich mich aufregen. Mich motiviert das ungemein, vor allem steigert es mein Denkvermögen. ^^
Schöne Grüße
Rita